Am Vorabend zum Frauentag, am 7.3. 23 hatte das Neu-Deli eine besondere Bühnengästin, die Kabarettistin und Schauspielerin Jutta Seifert mit ihrem Programm Angebissen. Schon beizeiten füllte sich das Kino und im Besonderen das Foyer mit Besucherinnen und einigen wenigen Besuchern. Fingerfood und Begrüßungssekt standen bereit, das Theken Team war bereits zu großer Form aufgelaufen, was wäre das Neu-Deli ohne sie. Das Buffet wurde mit viel Einsatz von einigen Mitgliederinnen des Kinovereins im Vorfeld bereitet, aber auch von der Jugendwerkstatt gezaubert.
Frau traf Freundinnen und Bekannte, suchte sich Plätze im Saal, der bald mit annähernd 100 Besucherinnen gut gefüllt war, und nutzte die Gelegenheit zum Einbecker Talk, bis die Veranstaltung mit Grußworten begann. Vom Kino waren das Britta Grasdorf und Hannah Over, vom veranstaltenden Frauenforum, den Ratsfrauen der Stadt Einbeck, war das die stellvertretende Bürgermeisterin Frau Sölter. An diesem Abend sprach sie in Vertretung der erkrankten Gleichstellungsbeauftragten Frau Engelhardt, die im Vorfeld die wichtigen Fäden knüpfte, um die großartige Künstlerin für Einbecker Frauen auf die Bühne zu holen.
In ihrer Ansprache erwähnte Frau Sölter, auch sehr zu unserer Freude, wie glücklich Walter (Schmalzried) gewesen wäre, das Kino so voll interessierter Besucherinnen zu erleben. Unterstützt wurde der Augenblick auf der Bühne von allen anwesenden Mitgliedern des Frauenforums.
Danach war die Bühne frei für die Darstellerin des Abends Jutta Seifert, die den Bühnenraum sofort mit ihrer zauberhaften Präsenz einnahm, füllte und die Zuschauerinnen in den von ihr eröffneten historischen Raum mitnahm. Beginnend vor 100 Jahren in den 1920ziger Jahren führte sie die Anwesenden in den nach allen Seiten verrückt offenen Raum, der sich nach einem grausamen und unbegreiflichen Krieg öffnete. Es boten sich unglaubliche Freiheiten, besonders für Frauen, aber auch für Männer und alle dazwischen, zumindest in den großen Städten der neuen Republik. Singend, tanzend, sprechend und voller Bewegung erschuf Jutta Seifert den prallen Raum der Zwanziger!
Anschließend führte sie die Zuschauerinnen in beklemmender Heiterkeit in starrer werdende Zeiten, in denen Frau in ach so bekannte Anpassung rutschte, von der Femme Fatal zum Mutterkreuz! Ein zweiter Krieg, angezettelt von Männerwahn und Frauenunterwerfung endete damit, dass Frauen, durch die Zeiten zur Tüchtigkeit auferstanden, dann doch wieder im Null Komma Nix in der Unterwerfung verschwanden und Platz machten für Männermacht.
Immer wieder schlüpfte die Darstellerin in neue Rollen und in knapp angedeutete Verkleidungen, den darauffolgenden Zeiten entsprechend. Sie bewegte sich und uns und füllte in dieser Weise den Raum mit den Frauenwahrheiten der 50ziger, sechziger, siebziger… Genial in der Einfachheit. Äußerst präzise in den Beobachtungen und mit den zitierten und eigenen Texten, begeisterte Jutta Seifert ihr Publikum.
Angebissen – wer beißt? Die Schärfe der Texte, die durchaus Tränen der Empörung in die weiblichen Augen treiben konnte? Oder hat man oder frau ein wichtiges Stück aus der Frauenseele herausgebissen? Oder gilt es endlich einmal die antrainierte, in Frauen inzwischen möglicherweise schon genetisch angelegte Beißhemmung zu überwinden? Und dann…? Gelingt es uns Frauen nun endlich, Stärke und Klugheit daraus zu entfalten und auch beizubehalten?
Diese Revue zum Weltfrauentag war rundherum inspirierend, wir konnten eine starke Frau mit ihrer gelungenen und klugen literarisch-musikalische Zeitreise erleben.
{Text: Hannah Over | Fotos: J. Liebscher}